Papierhandtuch Recycling für die biotechnologische Wertstoffproduktion

An der Ostfalia Hochschule wird erforscht, wie Papierhandtuchabfall für die biotechnologische Produktion neuer Wertstoffe recycelt werden kann. Ziel ist die Entwicklung einer Methode zur Verzuckerung von Papierhandtüchern. Bakterien können anschließend aus der gewonnenen Glucose z.B Bioethanol herstellen.

Das Forschungsteam von Cell2Cell (von links): Diana Austen und Prof. Dr. Elke Wilharm. | Foto: Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften

Jährlich landen in Deutschland rund 70.000 Tonnen Papierhandtücher im Müll und werden verbrannt – wodurch klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Um dem entgegenzuwirken, erforscht die Ostfalia in Kooperation mit dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna, eine Methode, den Papierhandtuchabfall nachhaltig wiederzuverwerten. Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt „Cell2Cell – Vom Zellstoff zum Stoff für Zellen“ läuft noch bis Oktober 2025.

Verzuckerung von Papierhandtuchabfall

Das handelsübliche Papierhandtuch besteht überwiegend aus Cellulose, einem Vielfachzucker, der – chemisch ähnlich zur Stärke – aus Glucose (Traubenzucker) aufgebaut ist. Das Forschungsprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine effektive Methode zur Verzuckerung, also der Überführung der Cellulose in Glucose, von Papierhandtüchern zu entwickeln.

Die freigesetzte Zuckerlösung soll dann als Ausgangssubstanz für biotechnologische Synthesen genutzt werden. „Sie dient sozusagen als Grundlage für Hefen, Bakterien oder Schimmelpilze, die aus der Zuckerlösung zum Beispiel Bioethanol, organische Säuren oder auch Biokunststoff herstellen können.“ Es geht also darum, einen Abfall, der momentan verbrannt wird, nicht zu neuem Papier zu recyceln, sondern die Organik in Form von Glucose aus einem weggeworfenen Papierhandtuch für die biotechnologische Produktion neuer Wertstoffe wiederzuverwenden.

Warum sich gerade das Papierhandtuch als Material für das Forschungsprojekt eignet, erläutert Ostfalia-Wissenschaftlerin Wilharm: „Papierhandtücher nutzt man täglich. Das ist einmal benutztes Papier, das quasi noch sauber ist. Es wird nur einmal kurz feucht und trocknet dann wieder. Es besteht zum überwiegenden Teil aus Cellulose, die aus vielen einzelnen Traubenzucker-Molekülen besteht. Diese Zucker sind vielfältig nutzbar und eindeutig zu schade zum Verbrennen.“

Wirtschaftlichkeit des Prozesses

An der Ostfalia wird der Prozess der Glucose-Gewinnung entwickelt. Zunächst muss die getrennte Sammlung der Papierhandtücher sichergestellt sein. In den Toilettenräumen der Ostfalia weist ein Aushang darauf hin, dass ausschließlich Papierhandtücher in den Mülleimern entsorgt werden sollen. Zudem unterstützt der Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis Wolfenbüttel (ALW) bei der Getrenntsammlung und hat zusätzliche Tonnen auf dem Campus bereitgestellt. Im zweiten Schritt werden die Prozessparameter für die Verzuckerung vom Forschungsteam festgelegt. Anschließend wird das Papier verzuckert, das heißt unter Verwendung spezieller Enzyme wird die Cellulose im Papier zu löslicher Glucose aufgespalten. Im sogenannten „Downstreaming“ wird dann die Zuckerlösung von den Resten, die sich nicht verzuckern lassen, getrennt und aufkonzentriert. Damit ist sie lagerstabil und die Transportkosten zum Abnehmer sinken.

Um den Verzuckerungs-Prozess im großen Maßstab abzubilden, kooperiert die Ostfalia Hochschule mit dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna. Der Prozess wird dort vom Schüttelkolben auf einen Rührreaktor im Kubikmeter-Maßstab vergrößert.

Ziel des Forschungsteams ist es, einen optimierten Prozess zu entwickeln, der sich vergrößern und für die Industrie kalkulieren lässt. Damit die Glucose-Lösung in der Industrie zum Einsatz kommen kann, muss sie nicht nur für die biotechnologische Produktion geeignet sein, sondern auch im großen Maßstab wirtschaftlich hergestellt werden können. Wilharm resümiert: „Solche Prozesse zu entwickeln ist sehr spannend, und es geht auch gut voran. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Projekt technisch funktionieren wird. Die eigentliche Schwierigkeit wird darin bestehen, die Wirtschaftlichkeit des Prozesses darzustellen. Die zunehmende Beachtung von Nachhaltigkeit und steigende CO2-Preise sind dabei günstige Faktoren.“

Wichtiger Beitrag zur Bioökonomie

Die Relevanz des Projekts bestehe vor allem in dessen Potenzial, aus Abfall einen Ausgangsstoff für die Herstellung einer Vielzahl neuer Produkte bereitzustellen und dabei CO2-Emissionen einzusparen. Das Projekt leiste somit einen Beitrag zur Entwicklung einer Abfall-basierten Wertschöpfungskette als Teil der sogenannten Bioökonomie. Bioökonomie beschreibt den wirtschaftlichen Wandel von fossilen Ressourcen hin zu einer Wirtschaft, die auf nachwachsende Rohstoffe setzt.

„Papier an sich besteht zwar schon aus einem nachwachsenden Rohstoff; bei seiner Verbrennung wird aber eine Menge CO2 freigesetzt, und das ist klimaschädlich. Wir versuchen an der Stelle die Organik zu bewahren, das heißt in unserem Fall die Glucose aus dem Zellstoff beispielsweise zu Bioplastik upzucyclen und dadurch sowohl den Ausstoß von CO2 zu verringern als auch Öl für neue Kunststoffe einzusparen. Das ist natürlich nur ein kleines Rädchen in der großen Transformation, aber auch ein Beitrag zum Klimaschutz und zu einer nachhaltigen Entwicklung.“

Birgit Fischer:
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