Innovation Corner: Medizintechnik und Life Science

Das Technische Museum Wien stellt im Innovation Corner bis 29.09.2024 zehn Projekte aus den Bereichen Medizintechnik und Life Sciences vor. Das Ausstellungsformat bietet österreichischen Start-ups und innovativen Unternehmen eine Präsentationsfläche für zukunftsweisende Technologien.

Innovation Corner im Technischen Museum Wien | Foto: Technisches Museum Wien

Vorgestellt wird neben der Möglichkeit, das Seherlebnis nach einer Augenoperation vor dem Eingriff zu simulieren, auch ein neuer, nicht-medikamentöser Ansatz in der Behandlung von Depressionen, der Prototyp eines Hightech-Wearables für Menschen mit diabetischer Neuropathie, nicht-invasive Verfahren umfassender Gesundheitsdiagnostik oder ein Projekt, das mittels Virtual Reality der Therapie von Mobilitätseinschränkungen in Folge einer bei Parkinsonerkrankungen zugutekommt. Teil der Präsentation sind auch Projekte, die die Verträglichkeit von Medikamenten mithilfe genetischer Daten analysieren, das Pandemierisiko anhand von Virennachweisen einschätzen, Krankheiten mit optogenetischen Modellen erforschen und die Pulswellenanalyse in der Schwerelosigkeit untersuchen, was neue Therapien auf der Erde ermöglichen kann.

Die präsentierten Projekte

RALV Device | ACMIT

Alterssichtigkeit und grauer Star beeinflussen mit zunehmendem Alter die Sehqualität vieler Menschen. Schon seit einiger Zeit sind diese Alterserscheinungen operativ durch den Austausch der natürlichen Linse mit einer Kunstlinse behebbar. Welche künstliche Linse für die eigenen Augen optimal ist, war jedoch bisher erst nach deren Implantation zu ermitteln. Zur Lösung dieses Problems hat das österreichische Start-up DEZIMAL, entstanden aus ACMIT und 1stQ Deutschland, ein innovatives System entwickelt. RALV ermöglicht es, bereits vor einer Operation das Sehen durch verschiedene Kunstlinsen zu testen und so den individuell optimalen Linsentyp zu bestimmen. Dies reduziert das Risiko einer Nachoperation und steigert die PatientInnenzufriedenheit.

Mobil-O-Graph | Pulswellenanalyse des AIT Austrian Institute of Technology

Die Beurteilung der Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems an die Schwerelosigkeit stellt eine der größten Herausforderungen in der Raumfahrt dar. Mit der Pulswellenanalyse haben ForscherInnen des Austrian Institute of Technology (AIT) eine vielversprechende Lösung entwickelt. Eingebaut in das Langzeitblutdruckmessgerät Mobil-O-Graph der Firma I.E.M. misst der von AIT entwickelte ARCSolver-Algorithmus die Elastizität der Arterienwände. Neben der herkömmlichen Blutdruckmessung erfasst das Gerät auch die Pulswellengeschwindigkeit und damit einen entscheidenden Indikator für die Gefäßgesundheit, da die Berechnung des Blutdrucks im Oberkörper für die inneren Organe von großer Bedeutung ist. Die Messungen geben Aufschluss über die physiologischen Anpassungen an die Weltraumumgebung. Zudem ermöglichen sie auch Erkenntnisse zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze auf der Erde.

Optogenetik | IMC Fachhochschule Krems

Erkrankungen wie Krebs, Entzündungen oder auch Epilepsie stellen für die Medizin nach wie vor Herausforderungen dar. Die Optogenetik – eine Kombination genetischer und optischer Forschungsmethoden – hat in diesem Kontext bereits zu wesentlichen Erkenntnissen beigetragen, wie aktuell auch ein Projekt der University of Applied Sciences (IMC) Krems zeigt. Dabei werden optogenetische Zell- und Gewebemodelle verwendet, um das regenerative bzw. krankheitsfördernde Potenzial spezifischer Rezeptoren zu untersuchen. Diese lassen sich durch die Verwendung von Licht schnell, räumlich sowie zeitlich präzise ein- und ausschalten. Das ermöglicht eine genauere Untersuchung jener Mechanismen, die beispielsweise für eine Entzündung verantwortlich sind. Gleichzeitig erleichtert diese Methode auch die Suche nach neuen Medikamenten, sodass Substanzen sowohl auf ihre entzündungshemmende als auch auf ihre krebshemmende Wirkung hin untersucht werden können.

https://research.imc.ac.at/de/projects/entwicklung-einer-optogenetisch-kontrollierbaren-msc-zelllinie-f%C3%BC

research.imc.ac.at/de/projects/entwicklung-leistungsf%C3%A4higer-diagnostikverfahren-und-neuer-therap

PANPOC | Universität für Weiterbildung Krems

In den letzten Jahren wurden die Auswirkungen von Epidemien und Pandemien auf der ganzen Welt deutlich. Sie haben gezeigt, wie wichtig es ist, in solchen Ausnahmesituationen entscheidungsfähig zu sein. Um das zu gewährleisten, bedarf es der Möglichkeit, die dafür notwendigen Informationen verlässlich und rasch zusammenzuführen. Das gelingt durch die Verknüpfung zuverlässiger Tests mit der Modellierung möglicher Auswirkungen. Das Projekt PAIR, welches von der Universität für Weiterbildung Krems initiiert wurde, soll das mit zwei interaktiven Instrumenten ermöglichen. Mithilfe des Point-of-Care-Instruments (PANPOC) erfolgt ein schneller Nachweis von RNA-Viren. Dieses wird ergänzt durch das auf KI und Machine Learning basierende Modell PANRISK, welches das Pandemierisiko räumlich und zeitlich bewertet. Im Zusammenspiel sollen die beiden Werkzeuge in Zukunft zur Entscheidungsfähigkeit beitragen.

MedikamenteCheck | Permedio

In der medizinischen Behandlung zeigt sich, dass die individuellen Reaktionen auf ein Medikament von Mensch zu Mensch oft stark variieren. Um die Wirksamkeit von Medikamenten zu verbessern und potenzielle Neben- sowie Wechselwirkungen zu minimieren, entwickelte Permedio den MedikamenteCheck. Durch die DNA-Analyse einer Speichel- oder Blutprobe können Vorhersagen über die persönliche Reaktion auf ein Medikament getroffen werden. In einem digitalen Tool können ÄrztInnen wie PatientInnen überprüfen, welche Wirkstoffe in ihrem Fall gut verträglich und auch miteinander kombinierbar sind. So wird zum ersten Mal eine transparente und personalisierte Gesundheitsversorgung auf der Basis der genetischen Daten von PatientInnen lebenslang möglich.

VReeze | FH St. Pölten, Karl Landsteiner Universität, Universitätsklinikum St. Pölten

Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, die oft von einem Zustand begleitet wird, in dem erkrankte Personen vorübergehend unfähig sind, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Das sogenannte „Freezing of Gait“ (FOG), übersetzt das „Einfrieren des Gangs“, schränkt die Mobilität ein und erhöht das Risiko für Stürze und Verletzungen. Die vielfältigen Auslöser dafür sind zwar bekannt, aber lassen sich im Labor nicht zuverlässig hervorrufen. Das von der Fachhochschule St. Pölten, der Karl Landsteiner Universität und dem Universitätsklinikum St. Pölten initiierte Projekt „VReeze“ stellt sich mittels Virtual Reality (VR) dieser Herausforderung. In einer virtuellen Umgebung sollen verschiedene Auslöser simuliert und Versuchsteilnehmende mit diesen konfrontiert werden. Das Ziel ist die Entwicklung eines Open-Source-Werkzeugkastens. Dieser wird am Ende für Wissenschaft und Therapie(-evaluierung) frei zur Verfügung stehen, um das Phänomen FOG gezielt auslösen und somit in Zukunft besser untersuchen und therapieren zu können.

PI-SENS | Danube Private University

Die medizinische Diagnostik ist oft mit invasiven Verfahren verbunden, die sowohl riskant als auch aufwendig sind. „Personalised Medicine enabled by Intelligent Sensing Systems“ (PI-SENS) ist ein von der Danube Private University initiiertes Projekt, das dieses Problem lösen soll. Dabei handelt es sich um einen Chip, der mittels Biosensoren beispielsweise bereits in einer Speichelprobe enthaltene, umfassende Gesundheitsdaten diagnostizieren kann. NutzerInnen können so in Echtzeit ihre individuelle Gesundheit im Blick behalten. So schafft PI-SENS eine wesentliche Grundlage, um – sogar räumlich unabhängig von den traditionellen Gesundheitseinrichtungen – potenziellen Problemen frühzeitig entgegenzuwirken.

Proteinkonjugate | VALANX Biotech

Proteine steuern eine Vielzahl biologischer Prozesse im menschlichen Körper – sei es der Transport von Nährstoffen oder die Bekämpfung von Viren und Bakterien. Proteine können aber auch als Medikamente eingesetzt werden. Dafür bedarf es der gezielten Kopplung der Proteine mit chemischen Substanzen, einer sogenannten Konjugation. Bisher funktionierte das nach dem Zufallsprinzip. Deswegen entwickelte das Unternehmen VALANX Biotech eine Methode, mit der die ausgewählte chemische Verbindung an einer genau definierten Stelle in das Protein eingebaut werden kann. Diese Modifikation ermöglicht es, die Bindung von chemischen Substanzen an Proteine kontrolliert zu steuern und so maßgeschneiderte Medikamente mit verbesserten Wirkungen zu schaffen.

Syntropic Medical | XISTA Science Ventures

Allein in Europa leiden etwa 90 Millionen Menschen an Depressionen, die sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft eine schwere Belastung darstellen. Als derzeitige Standardbehandlung werden Antidepressiva eingesetzt, von deren Einnahme allerdings nur 50 % der PatientInnen profitieren. Aus diesem Grund hat Syntropic Medical einen neuartigen Ansatz zur Behandlung von Depressionen entwickelt. Ein brillenähnliches Gerät sendet flackerndes Licht aus, das einem „Morsecode“ ähnelt und regt dadurch die Bildung neuer neuronaler Verbindungen im Gehirn an – ein Prozess, der als neuronale Plastizität bekannt ist. Diese Methode ermöglicht es dem Gehirn, neue Verbindungen zu bilden und sich selbst umzugestalten. Dies stellt eine vielversprechende, nicht-invasive und nebenwirkungsfreie Alternative zu herkömmlichen medikamentösen Behandlungen dar. 

Wingo | Squail

Die eigenen Füße nicht zu spüren und über jeden Schritt nachdenken zu müssen, begleitet Menschen mit diabetischer Neuropathie (DSPN) Tag für Tag. Durch den Ausfall der peripheren Wahrnehmung wird der sensomotorische Regelkreis unterbrochen – eine bisher unbehandelte Ursache, die ein großes Amputationsrisiko mit sich bringt. 

Diese Herausforderung zu lösen, hat sich das Team von Squail zum Ziel gemacht, das in langjähriger Forschung den Prototypen Wingo entwickelt hat. Ein Hightech-Wearable, das Medizinprodukt und Socke zugleich ist. Über integrierte Sensoren und Aktoren werden die Gangphasen erkannt und die benötigten Muskelgruppen zur richtigen Zeit stimuliert. So werden die Socken zu einer „Gangmaschine“, die es DSPN-PatientInnen ermöglicht, wieder schmerzfrei einen Schritt vor den anderen zu setzen.

Birgit Fischer:
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